Im Rahmen des Lausitzfestivals 2021, eine Musikalischeinstallation im ehmaligen Gefängnis Bautzen 2. Aufführung am 17.09.2021 19:00 Uhr (Eintritt frei)
Eine Annäherung
von Aron Kitzig
Den Auftakt des Abends bildet Sciarrino mit „Lo spazio inverso“, gefolgt von drei Sätzen aus Olivier Messiaens „Quatuor pour la fin du temps“. Abgerundet wird der Abend von Sir Peter Maxwell Davies’ Kurzoper Eight Songs for a Mad King. Die Entstehungsgeschichte von „Quatuor pour la fin du temps“ stellt einen einzigartigen geografischen und historischen Bezug zur Region Lausitz her und erinnert gleichermaßen an die damalige politische Situation: Messiaen finalisierte das Quartett 1941 als Insasse des deutschen Kriegsgefangenenlagers Stalag VIIIA in Görlitz.
Sir Peter Maxwell Davies’ Eight Songs for a Mad King
Ein Monodrama für einen Sänger. Das Stück wirkt wie ein Anti-Monument für den fortschreitenden Wahnsinn von König George III. Er will sich in einer Welt frei bewegen, in der die Grundbedingungen für Freiheit nicht gegeben sind. George löst sich aus den Abhängigkeiten, den normativen Vorstellungen einer Gesellschaft und gibt sich ganz dem Irrationalen, seiner unbändigen Stimme hin. Durch die Entscheidung, auf seine Stimme zu vertrauen und nicht zu schweigen, wie ihm angeraten wird, verunmöglicht er es, sich aus seinem Gefängnis zu befreien. Aber er nutzt dieses Moment seiner furiosen, andauernden Klangschauer und erzeugt so die Dringlichkeit eines eigenen, neuen Möglichkeitsraums. Mit dem Versuch, seinen Vögeln (die Musiker stellen hier die Vögel dar) das Singen beizubringen, sammelt er neue Erfahrungen des Scheiterns, ohne jedoch von seinem Vorhaben abzulassen. Scheinbar entrückt lässt er sein Handeln durch seine Stimme motivieren. Dieser Machtkampf zwischen Körper und Klang erzeugt eine innere Spaltung und lässt das Narrativ, das Logische, hinter sich.
Im Vorfeld der Aufführung wurden Interviews mit vier ehemaligen Gefangenen des politischen Gefängnisses Bautzen II geführt. Die Fragestellung war, inwieweit Traum und Wahnsinn beieinanderliegen und welche Strategien erforderlich sind, um der Tristesse während einer Isolationsgefangenschaft entgegenzutreten. Der Inszenierungsansatz sieht vor, die zwei Stränge – den der Eight Songs for a Mad King und den der Gespräche mit den ehemaligen politischen Gefangenen – miteinander zu verflechten. Das „Haus des Schweigens“ soll nie wieder in seiner Funktion als Gefängnis geführt werden können, es muss als Mahnmal erhalten bleiben, in dem auf lebendige Art das Erinnern zur Kultur wird.
Ausstattung
von Marie Steiner
Tufting, was so viel bedeutet wie „mit Büscheln verzieren“, ist eine Technik zur Herstellung von Teppichen. Dabei wird ein sogenanntes Polgarn (etwa Wolle) in einem Trägergewebe befestigt. Das Prinzip, wie das geschieht, ist vergleichbar mit dem einer Nähmaschine. Der Stoff wird aber, anders als bei einer Nähmaschine, straff auf einen frei stehenden Rahmen gespannt. Dabei ist die richtige Spannung des Trägermaterials von großer Wichtigkeit, damit das Garn sich gut darin befestigen kann. Mit einer Tuftinggun, wie diese waffenähnliche Maschine genannt wird, wird das Garn nun mithilfe einer breiten Nadel in den Stoff „geschossen“. Bevor sich die Nadel zurückzieht, halten Greifer das Garn fest, wodurch sich auf der Vorderseite des Tuftingstoffs Schlaufen bilden. Der sogenannte Schlingflorteppich entsteht. Das Besondere bei dieser Art der Teppichherstellung ist, dass von hinten nach vorn und von unten nach oben getuftet wird. Das Endergebnis sieht man somit erst dann, wenn man den Stoff umdreht. Daraus ergibt sich der ungewöhnliche Effekt für die tuftende Person, dass sie sich auch immer ein bisschen an die Rückseite des Teppichs gewöhnt und am Ende der Arbeit erstaunt ist über die flauschige Vorderseite. Vielleicht sind Träume die Rückseite der Erinnerung – im Guten wie im Bösen. Sie verarbeiten Erlebtes, Erdachtes, Erwünschtes und schlingen sich in das Erinnerungsgewebe … Was bedeutet das Träumen in Gefangenschaft? Wie wichtig wird das Träumen? Träumt man überhaupt noch, wenn man großen Belastungen ausgesetzt ist? Hilft das Träumen? Aus Gesprächen mit ehemaligen Insassen von Bautzen II – dem „Haus des Schweigens“ – entstanden assoziativ die Motive für den Teppich. Die Idee eines Teppichs aus Erinnerungen und Träumen war, dem Raum et12
green snakes of ivy, pythons. God guard trees.
Blue-yellow-green is the world like a chained man’s bruise..
was substanziell Abweichendes entgegenzusetzen. Stofflich widerständig zu sein. Jedes einzelne Motiv wurde händisch in den Stoff getuftet. Jeder Traum, jede Erzählung, jeder Erinnerung wurde so greifbar und sichtbar in ein Gewebe verarbeitet. Ihnen wurde eine neue Stofflichkeit zuteil, die Wärme und Weichheit in all der Grausamkeit, Isolation und Kälte zulässt. Der Teppich dient nun als Gegenmaterial zu der Härte des Betons und des Stahls im ehemaligen Gefängnis. So wie Träume und Erinnerungen etwas gänzlich anderes sind als das im Moment real Durchlebte, so ist auch dieser weiche, bunte Teppichstoff etwas gänzlich anderes in diesem schweren, harten Raum.
Klanginstallation
von Kay Sievers & Lenard Gimpel
Lebenszeichen .-.. . -… . -. … –.. . .. -.-. …. . -.
26 Elektromagneten setzen Klopfzeichen. Jeder einzelne Elektromagnet sendet die gleichen universellen 26 Zeichen des Alphabets, und doch ist das Material, mit dem und auf dem sie klopfen, so individuell wie die Informationen, die sie transportieren. Lebenszeichen. Notwendiges. Alltägliches. Intimes. Diskrete Fragen und Antworten verwandeln den Raum durch Körper- und Luftschall zu einem Resonanzkörper solidarischer Kommunikation.